Kirche und Staat

Kirche und Staat

Das religiöse Verhalten und die Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften wandeln sich. Damit sind auch die politischen Rahmenbedingungen zu justieren und weiterzuentwickeln.
Exemplarisch in 10 Punkten aufgezeigt am Beispiel der Situation des Kantons Bern (Schweiz):

1. Das Verhältnis von Religionsgemeinschaften und Staat ist in der Schweiz kantonal geregelt und daher in jedem Kanton wieder anders ausgestaltet.

2. In der Verfassung des Kantons Bern sind die ev.-ref., die röm.-kath. und die christkath. Kirche als öffentlichrechtliche Körperschaften anerkannt und auch die jüdischen Gemeinden sind öffentlichrechtlich anerkannt.

3. Die Verfassung sieht vor, dass weitere Religionsgemeinschaften öffentlichrechtlich anerkannt werden können. Das Kantonsparlament verzichtet bisher auf die Ausarbeitung eines Anerkennungsgesetzes und prüft andere Massnahmen zur Förderung weiterer Religionsgemeinschaften, die gesellschaftlich wichtige Leistungen erbringen.

4. Im Kanton Bern fliessen aus den allgemeinen Steuern Gelder an die öffentlichrechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften. Bei der Annexion aller kirchlichen Güter anfangs 19. Jahrhunderts verpflichtet sich der Kanton, die Besoldung der Pfarrerschaft zu übernehmen. 2021 wird diese Praxis bestätigt.

5. Aus der öffentlichrechtlichen Anerkennung folgt, dass die Kirchgemeinden befugt sind, Kirchensteuern von natürlichen und juristischen Personen zu erheben. Für das Inkasso zahlen die Kirchen dem Kanton 2% der eingezogenen Steuern.

6. Während 1970 in der Schweiz 99% der ständigen Bevölkerung ab 15 Jahren Mitglied einer Landeskirche sind, gehören im Jahr 2022 35% der Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft mehr an, mit steigender Tendenz.

7. Die Religionslandschaft im Kanton Bern wird seit 1970 vielfältiger. 2021 sind 46% reformiert, 26% konfessionslos, 14% röm.-kath., 6% andere christliche Gemeinschaften, 4% muslimisch, 1% andere Religionen, 0,2% christkatholisch, 0,1% jüdisch.

8. Die veränderte religiöse Situation bringt es mit sich, dass die rechtlichen Grundlagen weiterentwickelt und gesellschaftspolitisch ausgehandelt werden müssen. Zur Diskussion stehen Themen wie die Kirchensteuern juristischer Personen, die gesellschaftlichen Leistungen privatrechtlicher Religionsgemeinschaften und anderer Institutionen, die Seelsorge in öffentlichen Institutionen, Kirchenbeiträge aus allgemeinen Steuern.

9. Hilfreich für die gesellschaftspolitischen Prozesse ist, dass kirchlicherseits alle Finanzen demokratisch kontrolliert sind und deren Verwendung detailliert offengelegt ist und dass die gesamtgesellschaftlichen Leistungen flächendeckend erfasst sind.

10. Hilfreich für die gesellschaftspolitischen Prozesse ist, dass staatlicherseits eine kantonale Religionslandkarte erstellt worden ist und dass eine umfassende Religionsbefragung bei allen privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften des Kantons durchgeführt worden ist.

Zum Thema auch der wortimpuls „Religionen und Staat“ (2021)