Der Duft von Rösti

Der Duft von Rösti

Die Jus-Studentin geht auf dem Heimweg am Mehrfamilienhaus vorbei. Meistens am Freitagabend duftet es nach Rösti.
Der Kindergärtner schaut am Morgen oft zum Balkon beim Hochparterre hoch. Dort werden am Morgen meist Duvet und Kissen ausgelüftet – die bunten Muster haben es ihm angetan.
Der Pöstler bringt einmal im Monat ein Paket mit besonderen Teekräuter-Mischungen. Ein rasches Grüezi und Danke, mehr Worte braucht es nicht.
Immer zu Weihnachten schreibt die Zimmerkollegin von damals im Institut im Welschen ein paar Zeilen. Gesehen haben sie sich seit Jahren nicht mehr.

Nun duftet es nicht mehr nach Rösti, bunte Duvets hängen keine mehr am Balkongeländer, die monatlichen Pakete werden nicht mehr versandt und der Weihnachtsbrief kommt mit dem Aufkleber „Empfängerin verstorben“ zurück.
Im engsten Kreise sei Abschied genommen worden, ist der Zeitung zu entnehmen.
Und was ist mit all den feinen Fäden,
all den leisen Beziehungen,
all den geheimnisvollen Brücken
und stillen Fäden zwischen den Menschen?
Was ist mit der leisen Trauer der Institutskollegin, des Pöstlers, des Kindergärtners und der Jus-Studentin.
Der Röstiduft fehlt.